Rückblick Band 2

Reimar v. Zadow

Rückblick auf ein bewegtes Jahrhundert

Band 2 Kriegsjahre 1939-1945

Ein Deutscher, der nach diesem Jahrhundert gesund das neunzigste Lebensjahr erreicht, muß erst mal dankbar die Hände falten, ehe er darüber etwas aufschreibt.
R. v. Z. 2002

 

 

278 Seiten

mit Fotos

broschiert

Erschienen am 11.3.2007

Inhalt

Kriegsbeginn 1939
Das Jahr 1940 in Wien
Das erste Halbjahr 1941 in Polen
Das zweite Halbjahr 1941 in Rußland
Das zweite Kriegsjahr in Rußland – 1942
Das dritte Kriegsjahr in Rußland – 1943
Und die andere Seite des Krieges: Millionen, die ihn nicht überlebt haben
Henning v. Tresckow
Das Jahr 1944
Das Jahr 1945

Komplettes Inhaltsverzeichnis

Bestellung

Bestellungen bitte über
familienverband@von-zadow.de

Preis: 15,00 €
Sonderpreis für Mitglieder des Familienverbandes: 8,50 €
Versandkosten in Deutschland (für ein Exemplar): 2,70 €

Es handelt sich hierbei um einen nichtgewerblichen Privatverkauf unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung.

Bei Versand mehrerer Exemplare oder ins Ausland werden die Versandkosten per E-Mail mitgeteilt.

1. Leseprobe

Das 1. Halbjahr 1941 in Polen

Für mich war es der Wechsel von einer Welt in eine andere. Die ersten Eindrücke habe ich nicht vergessen. Ich landete auf dem Bahnhof und fuhr mit der Straßenbahn in Richtung Zitadelle, die ganz auf der Westseite lag. Am vorderen Wagen stand: „Nur für Deutsche“, er war fast leer. Am hinteren Wagen hingen die Polen in Trauben. Am Ziel stieg ich aus und ging die letzte Strecke zu Fuß. Alle Polen, die mir nun erstmals begegneten, mußten zehn Meter vor mir den Bürgersteig verlassen und auf den Fahrdamm ausweichen. So sah das in Posen aus, der kultivierten Stadt, die bis 1918 noch zum zweiten Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm gehört hatte.

Ganz bestimmt entsann ich mich unter diesen ersten Eindrücken daran, mit welchem psychologischen Feingefühl – vielleicht ja auch Raffinesse, jedenfalls propagandistisch gut genutzt – die besiegten Franzosen von Hitler behandelt wurden. Kein Franzose wurde entehrt.

Aber jeder Pole war entehrt worden. Denn er war ein Untermensch. Sein Land war – wieder einmal – aufgeteilt worden zwischen deutschen Übermenschen und Russen, die „ja alle Bolschewisten“ waren. Was aus ihnen werden sollte, war noch unklar. Sie waren und blieben eine große Gefahr für das Reich, welches für das großdeutsche Volk zu klein geworden war.

Ich weiß nicht mehr, wie ich reagiert habe. Wahrscheinlich höchst verwundert. Im übrigen aber so wie alle Deutschen: „Na ja, mit den Polen ist das eben nun mal so.“ Ganz sicher nicht mit Entsetzen.

Heute frage ich mich, wie ein Mann vom Format des Generalfeldmarschalls Fedor v. Bock diese Zustände in Posen zulassen konnte. Als ranghöchster Offizier hätte er das verhindern müssen, – so dachte ich.

Wer vom Rathaus kommt, ist immer klüger, sagte damals ein Sprichwort. Und Posen hat ein besonders ehrwürdiges altes Rathaus. Fast alle Urkunden, die ich heute in Kopie in meinem Archiv gesammelt habe auf der vergeblichen Suche nach dem Ursprung der ersten Güntersbergs, sind in Poznan gesiegelt worden. Aber davon wußte ich damals nichts. Ich wußte auch nicht, daß ein Feldmarschall dem NS Gauleiter des Warthe Gau nichts befehlen konnte.

Immer, wenn mich heute, nach sechzig Jahren, diese Bilder überfallen, schrecke ich vor soviel Kälte und Unmenschlichkeit zurück, über die wir uns heute hoch erhaben vorkommen. Damals erschien uns diese Behandlung der Polen wahrscheinlich als notwendige Härte. Für mich war es ja auch erst der Anfang eines Krieges, den wir ganz langsam, aber von Jahr zu Jahr mehr, als unbegründet und unberechtigt erkannten. Ich habe einen Widerwillen gegen die Überheblichkeit, mit der junge Menschen, die etwas derartiges nie erlebt haben, heute unsere damalige Wehrmacht summarisch als verbrecherisch einstufen. Meine Erlebnisse gerade aus diesen Jahren mahnen zu großer Vorsicht. Wir müssen uns lieber auf eigene Eindrücke beschränken, die wir aus diesen Tagen bis heute, zur Jahrhundertwende, im Gedächtnis gespeichert haben. Das ist unsere Aufgabe, als späte Zeitzeugen.

2. Leseprobe

Das 2. Kriegsjahr in Russland, Der Dienst als LDN

[…] Zum besseren Verständnis der Leser, die schon jetzt, nach 57 Jahren (1998), keine Vorstellung von der militärischen Organisation im 2. Weltkrieg haben können, muß ich an dieser Stelle erklären, was ein LDN damals war: Den Leiter des Nachrichtenbetriebes gab es in jedem höheren Stab des Heeres, von der Division aufwärts. Er hatte die Gesamtverantwortung für das Zustandekommen, die Aufrechterhaltung und die reibungslose Funktion des Nachrichten-Betriebes. In Erfüllung dieser Aufgabe unterstanden dem jeweils diensthabenden LDN-Offizier einsatzmäßig die drei technischen Teile des Nachrichtendienstes, nämlich die Fernsprechvermittlung, die Fernschreibstelle mit -vermittlung (dies bei höheren Stäben, von der Armee an aufwärts) und die Funkstelle – in unserem Falle eine größere Funkzentrale, besetzt und betrieben durch unsere zweite Kompanie, der ich anfangs in Posen angehört hatte. […]

Meine eigene Vorbildung für diesen umfassenden Bereich war nicht voll ausreichend. Ich hatte z. B. nie mit der Fernschreiberei zu tun gehabt. Andererseits war ich voll ausgebildeter Funker, Betriebsfernsprecher und dazu noch erfahren im Feld-Dauerlinienbau mit seinen erstaunlichen Neuentwicklungen der Drehkreuzleitung, die sich erst während des Vormarsches über viele hundert Kilometer ergeben hatte, weil sie einfach notwendig war.

[…]

An ein Führergespräch aus der ersten Zeit entsinne ich mich, habe aber nur den letzten Teil mitgehört, später machte es bei uns die Stammtischrunde: Generaloberst Guderian, der durch Umfassungsschlachten und äußerst schneidige Vorstöße berühmt gewordene Führer der 2. Panzer-Armee, hatte sich bis dicht vor Moskau vorgearbeitet – wahrscheinlich fand sein Gespräch von Malojaroslawez aus statt, was ich aber nicht mehr weiß. Guderian hatte über die Heeresgruppe die Rücknahme seiner Armee beim OKH beantragt, weil er soweit vorgeprescht war, daß ihm die Versorgung mit allem abgerissen war, vor allem aber mit Treibstoff. Weiteres Vorgehen oder auch nur Verbleiben im sehr harten Winter 1941/42 war Unsinn.

Als Antwort rief Hitler selbst Guderian an und erzielte trotz der sehr großen Entfernung von Rastenburg aus noch leidliche Verständigung. Guderian stellte ihm die Sinnlosigkeit, dort stehen zu bleiben, deutlich vor, indem er sagte: „Mein Führer, ich kann diesen Entschluß meiner Armee gegenüber nicht verantworten“. – Pause – Nach einer Weile die gutturale Stimme Hitlers: „Guderrrian, hören Sie mich?“ Das war durchaus nicht selbstverständlich, vielleicht war das Gespräch vorher schon durch Nebengeräusche oder Dämpfung in Frage gestellt. Antwort (sofort): „Jawohl, mein Führer“. – „Guderrrian, Sie tragen die Verantwortung für Ihre Armee. Ich trage die Verantwortung für das deutsche Volk. Jetzt frage ich Sie, Guderrrian, was wiegt schwerer?“ – Antwort Guderian: „Jawohl, mein Führer“. – Was sollte er auch weiter sagen! Damit endete das Gespräch. Was der Erfolg war, weiß ich nicht mehr, es war einer der vielen Fälle, bei dem es erhebliche und unnötige Verluste gab.

3. Leseprobe: Unternehmen Bärenhöhle

Ein kurzer Besuch am 13. März 1943 im Führerhauptquartier

Dieser Tag hätte zu einem der aufregendsten Erlebnisse des Krieges werden können. Er wurde aber zu einem Blindgänger, in zweierlei Hinsicht. Deshalb erscheint er hier nur in Kurzform, obwohl er mich noch lange und sehr intensiv beschäftigt hat.

Irgendwann Ende Februar wurde ich zum Heeresgruppen-Nachrichtenführer befohlen und von diesem einem Oberstleutnant v. Below vorgestellt. Mein neuer Auftrag lautete für die nächsten Tage: LDN im Hauptquartier Bärenhöhle. Ich kannte dieses Wort aus dem Decknamenverzeichnis seit langem, konnte mir aber nichts darunter vorstellen. Höchste Geheimhaltungsstufe – auch das war nichts Besonderes. Mit Below zusammen fuhr ich in einem geländegängigen Fahrzeug an den Ort der Tat. Unterwegs eröffnete mir Oberstleutnant v. Below, daß es sich um ein vorgeschobenes Führerhauptquartier handelte, welches in Betrieb zu nehmen sei. Bis zum 4. März habe es für einen Kurzbesuch des Chefs bereit zu stehen. Ich lernte als erstes, daß im engsten Kreis nie vom Führer gesprochen werden durfte. Wir fuhren über einen Waldweg südwestlich an ein Dnjepr-Knie und fanden tief im Laubwald ein hervorragend getarntes Dorf, bestehend aus kleinen Häusern, die nach russischer Art recht unregelmäßig um eine Lichtung herumstanden, mit gepflegten Kieswegen untereinander verbunden. Die Lichtung war grasbewachsen und durfte unter keinen Umständen betreten oder zum Abstellen von Fahrzeugen benutzt werden. Aus der Luft dürfte von der ganzen Anlage nichts zu erkennen sein. Ich erhielt drei Passierscheine für den weißen, den roten und den grünen Sperrkreis, hatte eine Menge Unterschriften zu leisten und wurde meinem Schicksal überlassen. Daß Below der Luftwaffenadjutant Hitlers war, sowie ein Korvettenkapitän Jesko v. Puttka-mer sein Marineadjutant, erfuhr ich erst später durch den Führer des Vorkommandos, Hauptmann Schwarz, der dem Regiment Großdeutschland angehörte. Dieses hatte Hitler zu bewachen, nicht die SS. Auch die trat natürlich in seiner Begleitung auf, aber in schlichtem Feldgrau, nicht etwa in schwarzer Uniform.

Über das ganze Operettentheater gibt es von mir keine einzige schriftliche Notiz von 1943. Derartiges aufzuschreiben habe ich wohl nicht gewagt. Ich habe nur einen Notizzettel mit handschriftlichen Anweisungen, die von Oberstleutnant v. Below stammen, sowie die mehrfachen Schildchen, die an den Klingelknöpfen anzubringen waren, auf meinen Befehl hergestellt von unserem LDN-Zeichner. Die ersten drei waren auf einer Leiste unter drei Klingelknöpfen neben Hitlers Schreibtisch anzubringen mit den Bezeichnungen „Gen. Schmundt, Pers. Adjutant, Junge/Linge“ Dieses Dokument habe ich aufbewahrt. Generalmajor Schmundt, der Chef-Adjutant, kam bei dem Attentat am 20. Juli um; Linge war Hitlers Diener, von ihm gibt es gedruckte Erinnerungen; Frau Junge dürfte seine Sekretärin gewesen sein.

Alles andere kann ich nur aus dem Gedächtnis aufzeichnen. Wegen der ungewöhnlichen Bedeutung nahm ich es aber sehr genau wahr, und bin mir recht sicher, daß auch die Einzelheiten stimmen. Besonders deutlich in Erinnerungen sind mir die Anweisungen des Leiters des Vorkommandos, Hauptmann Schwarz, der recht mitteilsam war, anders als der vornehme und entsprechend schweigsame Below. Von Hauptmann Schwarz erhielt ich auch die Bestätigung, daß die lange Reihe hölzerner Haken an der Längswand des Vorzimmers zu Hitlers Arbeitsraum für die Koppel mit Dienstpistole bestimmt waren. Wer Hitlers Arbeitszimmer betrat, mußte vorher ablegen und sich an der Eingangstür evt. einer Leibesvisitation unterziehen. Hierfür stand ständig ein wachhabender SS-Mann an der Tür. Es konnte nicht ausbleiben, daß ich mir Gedanken darüber gemacht habe.

Die ganze Einrichtung war einfach. Alle Möbel aus Holz, sehr schwer, man würde das heute rustikal nennen, aber ohne jede Verzierung. Im krassen Gegensatz dazu stand die sanitäre Ausstattung, für unsere Frontgewohnheiten unfaßbar: Eine Menge wassergespülter Toiletten und Waschbecken, Kalt- und Warmwasser, Heizung in allen Häusern. In dem Privatwohnteil Hitlers neben seinem Arbeitszimmer Bad mit Badewanne. Ein laufender Wasserhahn hatte in dieser eine rostfarbene Wasserspur hinterlassen, die sich nicht beseitigen ließ. Daraufhin wurde per Flugzeug aus Ostpreußen eine nagelneue Wanne besorgt, die am 3.3. eintraf. Dies wurde nun aber doch zum Casino-Gespräch, zumindest tags drauf, als der Spuk vorbei war, so empörend fanden wir das. Dazu Stimme aus dem Vorkommando (ich glaube, es war Hauptmann Schwarz): „Ja, in solchen Dingen ist er unglaublich empfindlich, und seine Umgebung muß es nachher ausbaden…“. Es erschien schließlich eine Gruppe geheimnisumwitterter Männer mit merkwürdigen Apparaten: Untersuchung aller Wände mit Röntgengeräten zum Auffinden eingebauter Sprengsätze.

[…]