Rückblick Band 1

Reimar v. Zadow

Rückblick auf ein bewegtes Jahrhundert

Band 1 1912-1939

247 Seiten

mit Fotos

broschiert

Erschienen am 11.3.2006

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Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend
Einführung6
Mein Vater11
Meine Mutter17
Unsere Kindheit24
Pastor Ernst Pigger34
Aber den Reimar, den lassen Sie man lieber Landwirt werden
45
Berlin, Genthiner Straße 3 51
Großmama Edith von Zadow 65
Unsere Gutsnachbarn und ihre Kinder75
Hauslehrerjahre82
Schuljahre fern von Zuhause 91
Wernigerode
"Der Fall interessiert mich" - ein Jahr im Hause Laehr 104
Umzug ins "Haus Brandenburg" 114
Vom Anfänger zum gefragten Cellisten in Wernigerode116
Erste Begegnung mit Ilse Braumüller125
Gartenstraße 16127
Heimliche Verlobung133
"Sie haben sonderliche Wege gewählt" -Abitur 1933134
Mit Freundin Ilse in Altwuhrow137
Ausbildungsjahre und Beginn in Altwuhrow
Lehrzeit in Lankow 1933-1935146
Zwei landwirtschaftliche Zwischenspiele 1935161
Als Soldat in Potsdam 1935-1936170
Getrennte Zweisamkeit 1933-1938178
Als junger Landwirt in Nord-Havelland 1936189
Landsberg und Berlin 1937-1938194
Wechselbäder zwischen Für und Wider 1935-1939201
Musik im Spannungsfeld 1938210
Gedenkblatt an Altwuhrow 1938217
Hochzeit am 6. Januar 1939228
Einzug und Neubeginn in Altwuhrow236

Leseprobe 1

Als Sohn des Landwirts und Rittergutsbesitzers Erich von Zadow und seiner Ehefrau Sofie, geborene von Frantzius, erblickte ich am elften März 1912 um dreiviertel sechs Uhr in Altwuhrow das Licht der Welt.

Etwa so könnten alle Lebenserinnerungen beginnen, geradlinig und klar. Zu ergänzen wäre höchstens, dass die Geburt drei Tage dauerte und die beiden verfügbaren Falkenburger Ärzte, Dr. Grubert und Dr. Krüger angemessen beschäftigte.

Das hat mir meine Mutter erst erzählt, als sie neunzig Jahre alt war. Aber sofort danach begannen die Irrwege, bei deren Wiedergabe ich ebenfalls auf den mündlichen Bericht meiner Mutter angewiesen bleibe, doch nicht ganz: Meine Geburtsurkunde sagt aus, dass das Kind die Vornamen „noch nicht“ erhalten habe. Das war am 12.März 1912. Am linken Rand der im Original erhaltenen Urkunde befindet sich folgender Vermerk: „Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach bekannt, Herr Rittergutsbesitzer Erich von Zadow, wohnhaft in Altwuhrow, und zeigte an, dass dem von seiner Ehefrau am elften März eintausendneunhundertundzwölf geborenen Kinde die Vornamen Reimar, Erich, Eduard, Michelet beigelegt worden sind. Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben Erich v. Zadow. Der Standesbeamte. In Vertretung gez. Ballstädt“.

Über die Vornamen zwei bis vier wird nicht gestritten; das Andenken an meinen Vater und beide Großväter musste bewahrt bleiben.

Ganz anders aber „Reimar“ als erster Vorname.

Was war geschehen? Ich folge wieder dem Bericht meiner Mutter, doch den nun folgenden Hergang hat sie nicht erst mit neunzig Jahren, sondern so oft erzählt, dass daran nicht zu zweifeln ist:

„Eigentlich solltest du ja ‚Luise‘ heißen“ – nach der von ihr sehr geliebten und verehrten Großmutter Luise Delbrück geb. Jonas. Weil daraus nun nichts wurde, gerieten die Eltern in Verlegenheit. Soviel war geklärt: Ich sollte den in unserer Familie zwischen 1660 und 1773 viermal vorkommenden Vornamen tragen. Am Tag nach meiner Geburt sei mein Vater ins Schlafzimmer gestürmt, das Reitpferd draußen angebunden. Vater hatte es eilig, denn es war die Zeit der Frühjahrsbestellung: „Sag mal, wie war das nun, ‚Reimer‘ oder ‚Reimar‘?“ Meine Mutter kann mich nicht von der Brust reißen, und mein Vater hat keine Zeit nachzusehen. Angeblich einigten sie sich nach musikalischen Gesichtspunkten: „Reimar“ klingt besser – und mein Vater reitet ab in Richtung Teschendorf, um mich beurkunden zu lassen.

Das Amt, drei Dörfer umfassend, hieß zwar seit jeher „Amt Altwuhrow“, der bestens erhaltene Stempel weist es aus: „Königl. Standesamt Altwuhrow, Kreis Dramburg“. Doch da mein Vater nicht den geringsten Wert auf nebenberufliche Verwaltungsarbeit legte, von den vier Bauern im Dorf aber niemand bereit oder in der Lage war, eine solche Aufgabe zu übernehmen, wanderte das Amt Altwuhrow nach Teschendorf ab. Auf der Chaussee – rechts die gehärtete Straßendecke, links der landesübliche Sommerweg, beide staubig, – beträgt die Entfernung fünf Kilometer. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater sie entlang getrabt ist, er musste den Ritt dazu nutzen, die landwirtschaftlichen Arbeiten zu beaufsichtigen, nahm also den Weg über die Felder: Fuchsberg- Stadtberg querfeldein, falls es trocken genug war. Sonst den Wiesenweg. Weiter über die Beatenhöfer Wiese und Außenschlag Zwei. Von der Beatenhöfer Gutsgrenze waren es noch 1,5 Kilometer bis Teschendorf. So hatte der Ritt seinen landwirtschaftlichen Sinn. Die behördliche Anmeldung des Sohnes war Nebensache.

Nur so kann ich mir erklären, dass mein Vater fast unverrichteter Sache zurückkam: Entweder hatte man sich im Schlafzimmer doch noch nicht geeinigt, oder die Reimar-Lösung, nur nach dem Wohlklang, war meinem Vater zu unsicher.

Ungereimt bleibt die ganze Geschichte trotzdem. Denn über dem Vermerk am linken Rand steht: „4. Mai 1912“. Am 14. Mai sollte ich getauft werden. Bis dahin mussten mir schließlich die Vornamen „beigelegt“ werden. Warum es nach zwei Monaten dennoch bei der genealogisch eindeutig falschen Schreibweise blieb und ich nicht nach meinen Vorfahren Reimer benannt wurde, wird sich nie enträtseln lassen. Auch meine Mutter wusste das nicht und blieb bei ihrem Bericht vom 12. März und der Entscheidung nach Wohlklang, ohne einen Blick in die Stammtafel zu tun.

Hier fehlte die Assistenz eines meiner beiden juristischen Großväter, ihnen wäre das nie passiert. Was aber damals keiner wissen konnte: Bei den Güntersbergs, deren Abkömmlinge wir angeblich und vielleicht ja auch wirklich sind, gibt es den Herrenmeister Reimar v. Güntersberg, urkundlich belegt zehnmal zwischen 1406 und 1411. Erst 1982 ergab sich dies beim Quellenstudium.

Leseprobe 2

(aus dem Kapitel „Als Soldat in Potsdam 1935-1936“)

Das Glockenspiel vom Turm der Garnisonkirche hat mich von Anfang an geärgert: Nicht nur in der Penetranz seiner ständig wiederholten Forderung sondern wegen des geradezu dürftigen Textes „üb immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab und weiche keinen Finger breit von Gottes Wegen ab“. Ich wusste damals weder von beiden oranischen Ehen der Brandenburger Markgrafen und Kurfürsten, noch ahnte ich, woher die Melodie stammt. Aber ich war hochsensibel gegenüber gerade d i e s e m Anspruch: Ich hielt ihn damals – als Mitglied der Bekennenden Kirche – und ich halte ihn auch heute als Neunzigjähriger für zutiefst unchristlich. Kein Mensch kann diese Forderung erfüllen. Ich versage es mir, dazu mehr zu sagen, auch über die vermutliche Herkunft dieses so unzulässig verkürzten Moralanspruches. Nur so viel aus Sicht von 1935: Etwa so stellte sich uns damals der Katechismus“ der „Deutschen Christen“ dar; es fehlte daran nur noch der Glaubenssatz, Jesus Christus sei ein Arier gewesen, der germanischen Seele verwandt.

Nicht versagen will ich mir aber den Hinweis, dass die so eingängige Melodie dieses „Sinnspruches“ von Mozart stammt (der Urtext in der Zauberflöte lautet: „Ein Männchen oder Weibchen wünscht Papageno sich“) und dass der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. an diesem Glockenspiel ganz unschuldig ist. Es ist kein untrennbarer Bestandteil der Garnisonkirche gewesen, sondern ein Einfall des Königs Friedrich Wilhelm II., der wahrscheinlich auf Mozarts Besuch in Berlin zurückgeht.

Alles dies wusste ich 1935 nicht. Noch heute fehlt mir die Erleuchtung, wer hier Text und Melodie so schön zusammengebastelt hat. Leidlich ausgesöhnt hat mich dann immer die Melodie zur vollen Stunde „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren“ – wenn der Kritiker davon absieht, dass sie – vielleicht mit durch dies Glockenspiel – geradezu zum Volksschlager geworden ist und dadurch zum Restbestand vieler unserer Glaubensgenossen, so, als gäbe es nicht noch andere Lieder im Gesangbuch.